Besondere Geschichten
Hier möchten wir Sie mit einigen Geschichten aus unserer täglichen Arbeit vertraut machen. Diese persönlichen Schicksale haben uns sehr berührt. Wir sind dankbar, diese Menschen auf ihrem ganz eigenen Lebensweg durch unsere Arbeit und die Mithilfe unserer Spender unterstützen zu können.
Das Leben eines tapferen Sri Lanka-Mädchens geboren ohne Arme - Chandani Jayathilake
Als Chandani am 16. Juni 1977 in Sri Lanka geboren wird, weiß sie noch nichts von den Schwierigkeiten ihres Lebens. Sie kennt noch nicht den Zwiespalt zwischen Eltern und Verwandten, zwischen Armut und Reichtum.
Ihr Vater kommt aus einem starken Elternhaus. Er hat gerade sein Abitur hinter sich. Er soll ein Geschäftsmann wie sein Vater werden. Da trifft er im Jahre 1976 – gerade zwanzigjährig - auf ein gleichaltriges Mädchen aus der armen Schicht. Sie konnte nichts lernen. Ihr Vater war als Taxifahrer tätig und verbrannte in jungen Jahren in seinem kleinen Dreirad-Taxi auf der Straße. Seine Familie geriet dadurch in große Not.
Dieses ungleiche Paar verliebt sich und möchte miteinander durchs Leben gehen. Doch das ist nicht die Sitte Sri Lankas! Dort suchen die Eltern die Lebenspartner für ihre Kinder aus. Es werden horoskopische Gutachten zugrunde gelegt. Die Finanzen müssen stimmen. Wenn Werte und Güter vorhanden sind, sucht man nach Partnerschaften, die sich auch hier ergänzen. Reich zu reich und arm zu arm – ist das normale Leben in Sri Lanka.
Darum steht Sri Lanka mit an der Spitze in der Welt, wenn es um die Selbsttötung junger Menschen geht. Wer sich nicht standesgemäß verliebt, setzt sich großen Gefahren aus.
So auch in unserer Geschichte. Die beiden jungen verliebten Menschen wollen unbedingt entgegen Brauch und Sitte zusammen bleiben. Sie lehnen sich auf und heiraten einander. Das Leben beginnt grausam zu werden. Man hat die ganze Familie der reichen Seite gegen sich. Sie reicht diesen beiden jungen Menschen nicht die Hand, sondern verwünscht die Schwiegertochter und will sie nicht sehen.
Chandani meldet sich an und wird geboren! Was muß das kleine Wesen schon alles erfahren haben, ehe es auf diese Welt gelangen kann!
Ein wonniges Kind, - doch ohne Arme...
Als sie 1 ½ Jahre alt ist, erträgt ihr Vater den Druck der Familie nicht mehr. Er hat sich bereits in den Alkohol geflüchtet und schlägt in seiner Not Frau und Kind fast täglich. Er jagt die beiden davon... Wenige Jahre später erliegt er seinem Kummer und stirbt einen jammervollen Tod.
Nach einigen Tagen, die Mutter und Kind auf der Straße zubringen, klopft die junge Frau bei ihrer Mutter an und kommt dort unter. Doch auch hier gibt es nur Schwierigkeiten, da ja der Vater in seinem Dreirad-Taxi verbrannte und die Familie nur von Gelegenheitsarbeiten leben konnte.
Schweren Herzens bringt die junge Frau ihr Kind Chandani in ein Altenheim in Colombo. Dort leben in einem Raum 16 behinderte kleine Kinder. Die Versorgung besteht darin, dass sie nur gefüttert werden, keine Mutter, keine Lehrerin, keine Wärme....
So bringt uns eine Nachbarin in dieser Zeit in das beschrieben Altenheim mit den behinderten Kindern. Da begegnen wir auch der 3-jährigen Chandani!
Ich bin sofort bis ins tiefste Innere von der kleinen Chandani berührt! Sie hat eine unbeschreibliche Ausstrahlung, ein großes Talent zu leben und aus ihrer Situation das Beste zu machen.
In Sri Lanka sind die Bürger des Landes für ihre Heime für Kinder und alte Menschen überwiegend selbst verantwortlich. Man ernährt sie, indem man zu allen Festlichkeiten der Familie (Geburtstag, Hochzeitstag, Todestag, Weihnachten usw.) eine Mahlzeit in die Heime bringt, „Almsgiving“ (Almosen) genannt. Diese Sitte bringt den Gebenden Segen und Glück.
Wir werden gebeten, diesem Heim zu helfen. Es fehlt an allem dort. Da es unter zwanzig Personen zählt, gibt der Staat auch nicht seinen obligatorischen monatlichen kleinen Unterhaltsbeitrag von 100 Rupies je Kind als Zuschuss (1981 – 100 RS = 3 DM). Was man am meisten vermisst, ist eine Mutter und Lehrerin für die Kinder. Wir finden Sunethra, eine ungewöhnliche junge Frau mit großen Fähigkeiten, die aus diesen behinderten kleinen Menschen das Größtmögliche entwickeln kann. Ein weltbekannter buddhistischer Mönch aus Colombo stellt uns in seinem großen „Gangarama-Tempel“ Räumlichkeiten für die Kinder zur Verfügung. Somit haben sie mehr Platz.
In unermüdlichem Einsatz lehrt Sunethra die Kinder, sich wie „normale“ Menschen zu bewegen. Sie gibt ihnen Mut und Einsatzkraft und lenkt sie hin zu stillen kleinen Wesen, die immer das Rechte zu tun wünschen. Sie fügt sich ganz hinein in diesen kleinen Kreis und im Laufe der Jahre mehren sich die Kinder in diesem Heim, da Sunethra niemals einen in Not befindlichen Menschen ablehnen kann.
Gemeinsam mit „ihren Kindern“ gewinnen sie in den darauffolgenden Jahren viele Preise in nationalen traditionellen Schauspiel- und Bastel-Wettbewerben.
Chandani beginnt schon im Alter von 4 Jahren Harmonium mit den Füßen zu erlernen.
Eine kleine, sehr bewegende Geschichte mit großem Ausmaß möchte ich hier noch einfügen, vor der auch ich große Hochachtung habe: Sunethra möchte mit ihren so gut geschulten Kindern das Gefängnis in Colombo besuchen, um den Gefangenen Freude zu bereiten. Der Staat stimmt ihrem Antrag zu. Und so steht sie mit ihrer kleinen Schar vor dem Gefängnistor und wird eingelassen. Mehr als 2000 Gefangene dürfen in den Hof treten. Dort beginnt Sunethra mit ihren Kindern eine einstudierte Show für die Insassen. Sie singen und tanzen, sie spielen ein Stück aus ihrem Leben... Dann hält Sunethra eine Rede mit dem Inhalt: „Diese Kinder sind von Natur aus behindert zur Welt gekommen. Ihr habt Euch durch Eure Taten behindert.... Wir möchten Euch Freude und Glück bringen, damit ihr wieder Auftrieb für euer Leben bekommt!“
Die Gefangenen haben geweint und daraufhin für 3 Tage die Nahrung verweigert. Sie baten geschlossen die Obrigkeit des Gefängnisses, das somit ersparte Geld auf ein Konto zu legen und die Zinsen monatlich für einen Tag Nahrung diesem Kinderheim als „Almsgiving“ zur Verfügung zu stellen.
So geschah es.
Ein halbes Jahr später werden die Kinder mit Sunethra ins Gefängnis eingeladen. Diesesmal haben die Gefangenen eine kleine Show für sie einstudiert und möchten sich somit bei den Kindern erneut bedanken.
Ja, ich habe viele besondere Geschichten mit diesen Kindern erleben dürfen und bin daher so sicher im Umgang mit ihnen geworden. In mir war ganz klar: „Habe kein Mitleid mit den Armen! Sei mit den Leidenden!“ Diese Erkenntnis hat mir sehr geholfen, mit jedem Menschen gleich liebevoll umzugehen. An Wochenenden haben wir als Familie, Carl-Heinz, Christian und ich die kleine Chandani immer zu uns geholt. Sie hat mit mir im Bett geschlafen und mich mit ihren Beinchen umarmt. Am Morgen nach dem Aufwachen bringt sie mir einen Tee ans Bett. Wir sitzen zusammen „Hand in Fuß“ und genießen die innige Verbundenheit. Wir bringen ihr bei, mit Messer und Gabel zu essen. (In Sri Lanka ist es Sitte, mit den Fingern zu essen.)
Unter der wunderbaren, verständnisvollen Leitung Sunethras wird auch Chandanis Intelligenz sehr gefördert. Sie beginnt mit den Füßen all‘ das zu erlernen, was man sonst mit den Händen tut. Sie lernt lesen und schreiben, malen und singen, nähen und sticken, tanzen und schauspielern, ja sogar das Trommeln und auf dem Harmonium zu spielen, fällt ihr leicht.
Von klein auf erzählt sie mir immer wieder während der heranwachsenden Jahre:
„Aunty, I will study law! „Ich möchte Jura studieren, um den Ärmsten der Armen eine Stütze sein.“
Zur damaligen Zeit setzen wir es beim Staat durch, daß Chandani in eine Schule mit normal entwickelten Kindern gehen darf. Sie sitzt auf dem Boden der Schulklasse und lernt und lernt...mit unermüdlichem Eifer, spielend leicht und erfolgreich.
Als sie 16 Jahre alt geworden ist, sehnt sie sich nach ihrer Mutter zurück. Obwohl im Kinderheim für sie in jeder Weise gesorgt ist, möchte sie bei ihr leben und tritt wieder in ihre alte Welt von Armut und Elend ein. Es hat sich bei der Mutter nichts geändert. Doch Chandani beginnt nun, für ihre Mutter zu kämpfen. Sie geht zu den Fabriken in ihrer Umgebung und bittet unter Tränen, ihrer Mutter doch eine Arbeit zu geben. In einer Tabak-verarbeitenden Fabrik findet sie endlich Gehör und ihre Mutter fortan eine Arbeit. In Schichtdiensten schneidet sie die Tabakblätter klein, eine Tätigkeit, die ihre sonst schon sehr angegriffenen Lungen noch mehr schwächt. Doch 3.200,- Rupien (damals ca. 80,- DM) ist das monatliche Einkommen. Für 1.800 Rupien mieten sie einen winzig kleinen leeren Raum ohne Möbel. Eine kleine Kochplatte für einen Topf haben sie sich gekauft. Sie schlafen auf dem Boden. Eine Toilette gibt es nicht, nur Platz unter Bäumen und Sträuchern im Freien.
Das Wasser gilt es aus dem Brunnen zu holen, der 500 Meter entfernt ist. Das kann sie natürlich nur mit Hilfe der Mutter tun, wie soll sie einen gefüllten Eimer mit ihren Füßen aus dem Brunnen ziehen! Doch für sie zählt nur eines: sie sind wieder zusammen! Und Chandani findet sich in jeder Lebenslage zurecht.
Sie erhält wertvolle finanzielle Hilfe durch eine Schweizer Dame, die eine Patenschaft für sie übernommen hat. Die beiden waren sich auf einer von uns organisierten Rundreise durchs Land begegnet. Jetzt kann Chandani die nötigen Studienbücher, Kleidung, Nahrung und Fahrgelder zur Schule sowie die Gebühren für den späteren Besuch der Universität leichter finanzieren.
1997 gelingt Chandani das Abitur. Sie ist glücklich und bittet nun um Eintritt in die Universität. Sie möchte Jura studieren. Sie will eine Rechtsanwältin für die Armen sein! Das ist ihr ganzes Sinnen und Trachten.
Nach dem ersten Jahr ihres Studiums kommt sie weinend zu mir und erzählt mir: „Ich bin so traurig, denn was ich mir solange erträumt habe, kann ich nicht verantworten. In unserem Land gibt es so viel Korruption.“
Daraufhin wechselt sie ihren Studiengang. Journalismus, internationale Völkerverständigung, Psychologie, Englisch, Japanisch und Computerkurse (mit den Füßen) sind die Hauptfächer.
Niemals hat Chandani um etwas gebeten. Keiner durfte ihr helfen. Sie kann alles alleine, duschen, sich anziehen, die Toilette benutzen usw. Sie steht wortwörtlich mit beiden Füßen auf dem Boden und meistert ihr Leben in bewundernswerter Art und Weise.
Hier eine kleine für Chandani typische Geschichte:
Sie steigt in einen Bus ein und reicht dem Schaffner mit ihrem Fuß das Fahrgeld, als ein älterer Mitfahrer in Tränen ausbricht und sie anspricht: „Du bist ein Engel für die Menschen. Du zeigst ihnen durch deine Stärke, dass es immer wieder Wege im Leben gibt, um zu bestehen! Wie bist du nur so stark geworden? Du wirst in deinem Leben erfolgreich sein können mit deinem Mut und deiner Kraft. Ich wünsche dir viel Segen...“ Er wollte ihr das Fahrgeld reichen, doch sie lehnte dankend ab. Er war selbst einer der Armen....
Eines Tages wird mir die große Not bewusst, in der Chandani sich momentan befindet. „Wir müssen innerhalb eines Monats unser Zimmer verlassen. Kannst du uns helfen, ein Zuhause für meine Mutter und mich zu finden? Der Vermieter möchte die ganze Lehmhütte an einen Mieter vermieten und braucht unseren kleinen Raum. Wir müssen hinaus! Ich bin schon bei der Regierung gewesen. Doch man kann uns nicht helfen. Sie sagen, wenn ich eine Million Rupien (damals ca. 25.000 DM) habe, können sie mir ein kleines Stück Land mit einem kleinen Haus geben. Doch diesen Betrag kann ich niemals aufbringen. Wohin sollen wir nur gehen?“
Sie müssen in dieser Umgebung bleiben, da die Mutter ihre Arbeit in der Tabak-Fabrik nicht aufgeben kann und Chandani in der Nähe der Universität sein will. Sie sagt: „Endlich haben sich die Menschen um mich an meinen Anblick gewöhnt! Wenn ich wieder in eine andere Gegend ziehe, beginnt alles wieder von vorn... Die Blicke der Mitmenschen auf meine fehlenden Arme...“
Die Angebote für Wohnungen sind unmäßig teuer: 2.000 Rupien Miete für zwei kleine Räume ohne fließendes Wasser mit einer Mietvorauszahlung von 30.000 Rupien ohne monatliche Anrechnung. Die Mutter verdient nur 3.200 Rupien monatlich und das reicht selbst bei größter Sparsamkeit kaum zum Leben. Vielfach ist nicht genug Nahrung da.
Ja, was können wir für einen solchen starken und mutigen Menschen tun? Gibt es eine Möglichkeit für Chandani, ein kleines eigenes Zuhause zu finden, damit die Sorgen sie verlassen können? Wie soll sie in Ruhe studieren, wenn sie nicht weiß, wie es weiter geht?
Auf meine Frage, was sie in ihrem Hausstand besitzen, sagt sie lächelnd: „1 Handtuch für meine Mutter und mich, ein Bettlaken für uns beide, zwei Gläser, 2 Teller und Tassen und zwei Löffel, einen Topf mit einem Kochlöffel. Das ist alles.“
Wir haben vielen unserer Freunde und Spendern von ihrem Kummer berichtet. Innerhalb kürzester Zeit haben wir das Geld für ein Haus zusammen. Wir finden es nicht weit von der Universität und von der Arbeitsstelle der Mutter. Glücklich ziehen die Beiden in ihr neues Zuhause mit einem kleinen Garten.
Chandani kann sich überall sicher und frei bewegen. Sie isst mit Ihren Füßen appetitlich mit Messer und Gabel, führt die Tasse oder das Glas spielerisch und selbstsicher zum Mund, spricht mit der Ausdruckskraft der Füße wie andere mit ihren Händen. Sie ist ganz „normal“. Sie putzt, wäscht, bügelt und kocht mit einer Selbstverständlichkeit. Selbst das kleine Gärtchen pflegt sie voller Hingabe. Es ist eine wahre Freude, ihrem ausdrucksvollen Leben zuzuschauen! Sie hat sich mit ihrer Art der Behinderung arrangiert und ist ein vollwertiges Geschöpf ihrer Gesellschaft. Sie möchte niemandem zur Last fallen, sondern nimmt ihr Leben selbst in den Fuß!
Im Jahre 2004 ist sie mit ihrem Studium fertig und wir können ihr helfen, bei einer Schwedischen Reifen-Firma eine gute Arbeitsstelle zu finden.
Am 24. August 2006 heiratet sie und lebt glücklich mit ihrem Rangana.
Ende 2012 hat sie neben ihrer Arbeit ihr Studium an der Universität wieder aufgenommen, um ihren Doktor zu absolvieren. Ihr Traum ist es, an der Universität zu lehren.
Für mich – Ursula Beier – ist sie ein großes Vorbild für die Menschen und ich bin so dankbar für all' die wundervollen Erfahrungen mit ihr.
Die Geschichte eines blinden Mädchens in Sri Lanka
Upeksha, Chathuranganie Wickremaarachchilage
geboren am 15.1.1986
Wir sind fünf Kinder zuhause. Ich habe zwei ältere Schwestern und zwei Brüder. Einer von ihnen ist älter als ich und geistig behindert. Der andere ist das jüngste Kind der Familie.
Zusammen mit unseren Eltern lebten wir alle gemeinsam in einer kleinen bescheiden Strohhütte. Ich bin mir sicher, dass durch meine Geburt das Familienleben an vielen Stellen nicht leichter wurde. Die bittere Armut, unter der meine Familie schon vorher litt, wurde sicherlich durch ein weiteres Familienmitglied nun verstärkt. Auch meine Behinderung, ich bin von Geburt aus blind, stellten weitere Herausforderungen an die Familie.
Unsere Eltern verdienten beide, bis zu meiner Geburt, als Gelegenheitsarbeiter das Geld für den Unterhalt der Familie. Als ich jedoch auf der Welt war, hat unsere Mutter aufgehört zu arbeiten. Sie hat mich Tag für Tag durch mein Leben geführt. Hand in Hand konnte ich sicher und ohne Scheu meinen Weg Schritt für Schritt gehen.
Dadurch lag aber auch die gesamte finanzielle Verantwortung auf den Schultern unseres Vaters. Er war nun der alleinige Verdiener in der Familie.
Alle Geschwister haben die gleiche Dorfschule besucht, auch mein behinderter Bruder und ich. Unser großes Glück war es, dass es dort eine spezielle Klasse für behinderte Menschen gab.
Auf Grund unserer großen finanziellen Probleme mussten meine älteren Schwestern nach Abschluß der Mittleren Reife die Schule verlassen. Mein älterer Bruder war auf Grund seiner Behinderung zuhause und hat keine weiterführende Schule besuchen können. Der Jüngste von uns allen hat nach der Mittleren Reife ebenfalls die Schule verlassen und eine Anstellung in der Textilindustrie gefunden. Mit seinem monatlichen Verdienst konnte er nun zum Lebensunterhalt unserer großen Familie beitragen.
Meine Mutter war und ist mein Engel. Sie brachte mich zur Schule, hielt meine Hand und zeigte mir die Wege, die ich zu gehen hatte. Ich fühlte mich niemals alleine oder ohne Schutz und Fürsorge. Mit all' ihrer Liebe hat sie mich beim Erreichen meiner Ziele unterstützt. Ich habe mit viel Fleiß und Engagement die Blindenschrift erlernt.
Begleitet und gestützt wurde ich von wertvollen Helfern an meiner Seite, wie Lehrern, Freunden und vielen weiteren liebe Menschen. In mir kamen wundervolle Gedanken auf und formten sich zu großen Wünschen:
Ich möchte die Welt mit meinen eigenen Augen sehen...
Ich möchte das Licht der Sonne sehen...
Ich möchte spielen und laufen wie die anderen Kinder auch...
Ich möchte die Schönheit der Natur entdecken..., meine Mutter, meinen Vater sehen...
Leider war und bin ich jedoch aufgrund der fehlenden Sehkraft nicht in der Lage, mir diese Wünsche zu erfüllen. Durch meine Religion dachte ich, dass meine Behinderung mir wegen einer zuvor in einem früheren Leben begangenen Sünde auferlegt worden war, ja dass es mein Karma ist.
Wendepunkt
Zu diesem Zeitpunkt reifte in mir ein Entschluss und das war der Wendepunkt in meinem Leben!
In der Tiefe meines Herzen nahm ich mir vor, meine Familie aus der Hilflosigkeit der Armut zu führen. Ihr Leben sollte heller und fröhlicher werden, auch wenn meines selbst in der Dunkelheit verbleiben würde.
Viele Jahre besuchte ich die Schule, bis ich im Jahre 2005 die Mittlere Reife-Prüfung machen konnte. Genau in dieser Zeit veränderte sich unser Leben. Es wurde - wie ich es mir gewünscht hatte - für uns alle lichter, heller und leichter. Ursula Beier – „die weiße Mutter in Sri Lanka“, Albrecht Platter und ihr sozialer Manager Lucky Mahanama besuchten unsere Schule. Durch ihren Einsatz habe ich den Patenonkel Eduard Ganthaler in Südtirol/Italien bekommen, welcher mich jahrelang liebevoll unterstützt hat.
Die Organisation förderte mein großes musikalisches Interesse und schenkte mir eine Geige und ein Harmonium. Ich besuchte nun das Rajasinghe College in Ruwanwella. Gemeinsam in einer Klasse mit nicht sehbehinderten Schülern lernte ich für mein Abitur. Ich konnte dem Unterricht gut folgen, machte meine schriftlichen Arbeiten in der von mir erlernten Blindenschrift.
Im Jahr 2008 war es dann soweit und die Abiturprüfungen standen an. Ich bin glücklich und auch stolz sagen zu können, dass ich diese Prüfungen mit Bravour bestanden habe.
Auf Grund der sehr guten Abiturleistungen, bekam ich einen Studienplatz an der
Jayawardanapura-Universität. Ich studierte Singhalesisch, Musik, Psychologie und Geschichte. Seit August 2013 habe ich mein Studium beendet. Und nun wünsche ich mir, eine Arbeitsstelle als Musiklehrerin zu finden.
Nebenher nehme ich an einer Ausbildung für Gesang teil, die fünf Jahre dauern wird. Ich fühle und spüre tief in mir, dass ich meiner Familie helfen kann, ihr Leben in Armut und das damit verbundene Leid zu beenden, so wie ich es mir damals als zehnjähriges, kleines Mädchen vorgenommen hatte. Ich bin davon überzeugt, dass ich das schaffe! Ich bin für meine Eltern, meine Schwestern und Brüder da, so wie jeder Einzelne von ihnen für mich da war - mit aller Liebe, Zuneigung und Fürsorge...-!
Ich habe mittlerweile einen lieben Mann an meiner eite, der mich bei allem großartig unterstützt. Auch r ist blind. Wir haben uns während unseres Studiums angefreundet. Nun sind wir verheiratet und meistern gemeinsam unser Leben.
Ich kann die Welt nicht sehen, doch ich bin mir sicher und davon überzeugt,
dass eine leuchtende Zukunft vor mir liegt!
Wenn sich mir im Laufe meines Lebens auch ein paar Steine in den Weg legen könnten, besteht die Möglichkeit für mich hinzufallen, wieder aufzustehen, daraus zu lernen und weiter aufrecht weiter zu gehen.
Mein Herz sagt mir, dass immer helfende Hände an meiner Seite sein werden und verhindern, dass ich stolpere und hinfalle.
Ich bin voller tiefer Dankbarkeit mit jedem Einzelnen verbunden, durch dessen Hilfe es mir seit Jahren ermöglicht wurde, meinen Lebensweg zu gehen.
Ich bin blind - ja, aber jede einzelne hilfreiche Hand hat mich auf ihre Weise ermutigt, aus der Dunkelheit herauszutreten und die Welt mit meinem Herzen zu sehen.
Das Allerwichtigste - was ich für mich und mein Leben weiß - ist, dass ich niemals alleine bin und sein werde. Ich bin immer geschützt und getragen und eine führende Kraft begleitet mich bei all' meinem Tun!
Upeksha schrieb uns diesen Brief, um den Menschen Mut und Zuversicht zu
vermitteln, die ein ähnliches Schicksal haben. Sie möchte damit aufzeigen, wie
sich aussichtslose Situationen in ein erfülltes Leben verwandeln lassen.
Die Kraft der Liebe hat sie begleitet und ihr täglich den Mut gegeben, den sie
brauchte, um den Alltag zu meistern!
Diese besondere Geschichte bestätigt uns, dass nichts unmöglich ist! Viele unserer Patenkinder leben oft in aussichtslosen Verhältnissen. Und doch – mit einer kleinen Unterstützung können ihre Talente sichtbar werden und für ihr Leben große Veränderungen bringen.
Wir und unser Mitarbeiter-Team in Sri Lanka sind stolz auf diese besonderen Leistungen von Upeksha.
Wir gratulieren und wünschen ihr von ganzem Herzen eine gute und erfolgreiche Zukunft!
Ursula Beier und Albrecht Platter
Facegirl Lakshika
Seit vielen Jahren helfen wir den Ärmsten der Armen in Sri Lanka, dass ihre Kinder durch eine Patenschaft eine gute Schulausbildung erhalten können.
Im März 2005 kamen Dorfbewohner aus dem Kegalle-District und brachten uns eine Großmutter mit ihrer Enkeltochter und baten um Hilfe für die Beiden. Sofort war uns bewusst, dass wir dort helfen sollten - Lakshika wurde eines unserer Patenkinder. Anbei ihre bewegende Geschichte:
Opfer eines tragischen Geschehens
Lakshika, die auf dem Foto zu sehen ist, war und ist Opfer eines tragischen Geschehens.
Ihre Mutter wurde – als sie mit ihr schwanger war – von ihrem Vater verlassen. Aus Verzweiflung nahm sie Gift. Die Dosis hat zum Glück nicht gereicht, um Mutter und Kind zu töten, doch um Lakshika's Gesicht bemitleidenswert zu entstellen. Die Mutter hat die Situation nicht ausgehalten und ist davongelaufen. So lebt Lakshika von Geburt an bei ihrer Großmutter.
Bei unserer ersten Begegnung im März 2005 war die Kleine 9 Jahre alt – ihr Gesicht war entstellt. Es kostete uns viel Mut, um ihr in die Augen zu blicken und ihre wahre Schönheit zu erkennen. Inzwischen hat sie zwei Operationen hinter sich. Sie kann endlich hören und sieht schon viel besser aus, wie es das Foto zeigt. Ihr Leben hat sich verändert, das Umfeld reagiert anders auf sie.
Lakshika und ihre Großmutter brauchen unsere Hilfe
Lakshika ist eine gute Schülerin geworden und eine Supersportlerin, die viele Preise gewinnt.
Das ist die eine Seite. Die andere Seite waren die Umstände, unter denen Lakshika und ihre Großmutter leben mussten. Wie auf den nächsten Fotos zu sehen ist, hausten die Beiden in erbärmlichen und menschenunwürdigen Verhältnissen.
Ihre „Plastikhütte“ wurde beim geringsten Regenguss überschwemmt. Es gab keinen Tisch, keinen Stuhl, keinen Schrank..., nur ein Bett, das direkt neben der offenen Feuerstelle stand.
Lakshika hatte zwar mit Hilfe unserer Organisation seit 2005 liebevolle Paten gefunden, so dass wenigstens die Kosten des Schulbesuchs gedeckt wurden – die armseeligen Lebensumstände waren jedoch unverändert. Die Großmutter versuchte schon immer aus eigener Kraft, durch die Annahme von Gelegenheitsarbeiten z. B. Tee pflücken die finanzielle Situation der Beiden zu verbessern. Ihre körperliche Verfassung ist jedoch mittlerweile durch die großen Belastungen, welche auf ihren Schultern lasten, sehr schwach und oftmals krank. Dann ist es ihr nicht möglich zu arbeiten. Die Mutter – inzwischen wieder verheiratet – hat ihre Tochter und Mutter nie wieder besucht, geschweige denn finanziell unterstützt. Der singalesische Staat zahlt monatlich umgerechnet 300,- Rupien = 2,- Euro. Davon kann man gerade 2 1/2 Kilo Reis kaufen. Gelegentlich kommt Hilfe von Nachbarn, welche uns auch auf diesen „Fall“ aufmerksam gemacht hatten.
Spenden die etwas bewirken
Lakshika muss bis heute regelmäßig, einmal im Monat eine lange Reise mit dem Bus nach Kandy ins Krankenhaus unternehmen und viel Geld für Arzneimittel ausgeben.
Im Mai 2012 wurde uns durch einen hilfsbereiten Nachbarn, ein kleines Grundstück kostenlos zur Verfügung gestellt, wo wir für die Beiden, mit Hilfe von Spenden begannen ein kleines, bescheidenes Häuschen zu bauen und mit ein paar einfachen Möbeln einzurichten. Die Gesamtkosten betrugen nach Abschluß aller Arbeiten rund 6.000,- €.
Voller Freude und innerem Glück haben wir gemeinsam mit Lakshika und ihrer Oma den Tag des Einzugs erlebt. Strahlende Gesichter und friedvolle Herzen voller Dankbarkeit waren um uns, als das Häuschen nach mehrmonatiger Bauzeit eingeweiht wurde. Ein großer Schritt in ein menschenwürdigeres Leben ist gegangen.....
Wir wünschen Beiden von Herzen alles Gute und sind mit Ihnen!
Eine tragische Familiengeschichte aus der Zeit des Tsunamis.
Unser Patenkind Dinusha Samanmalie (geboren am 28.02.1996)
berichtet über seine persönlichen Erfahrungen.
"Den 26. Dezember 2004 werde ich nie wieder in meinem Leben vergessen können. An diesem Tag hat sich alles verändert, nichts ist seit dem mehr wie zuvor. Meine Erinnerungen sind noch so frisch, als wenn es gestern gewesen wäre.
An jenem besagten Sonntag war unsere gesamte Familie schon früh aufgestanden und jeder ging in der üblichen Art und Weise seiner Beschäftigung nach. Wir Kinder hatten Schulferien. Vom frühen Morgen an spielte ich gemeinsam mit meinen älteren Geschwistern. Mein Bruder, meine Schwester und ich kletterten auf Bäume und pflückten Früchte. Wir waren so glücklich und und haben uns jede gemeinsame Minute miteinander gefreut.
Wie an jedem Sonntag wollte meine Mutter auf den Markt gehen, um Gemüse und andere Vorräte zu kaufen. Normalerweise hätte ich sie begleiten müssen, um ihr zu helfen. Aber an diesem Tag sagte sie mir, dass ich zu Hause bleiben könnte.
Ich spielte gerade mit meiner Schwester, als ich ein lautes Geräusch hörte... Es kam aus Richtung des Meeres... Sofort war mir in meinem Innersten bewusst, dass etwas Schlimmes passieren würde. In Sekundenbruchteilen liefen die Leute auf der Straße um ihr Leben. Sie schrien laut: "Das Meer läuft über, rette sich wer kann, lauft Leute, lauft....!"
Ich fühlte, wie die Angst von mir Besitz ergriff. Wie gelähmt stand ich da und war unfähig auch nur einen Schritt zu tun. "Meine Mutter, wo ist meine Mutter?" dachte ich sofort, sie sollte doch schon längst wieder da sein. Unser Vater schrie mich an, ich sollte endlich mitkommen. Er griff nach meiner Hand, zog mich hinter sich her und rannte los. So rettete er unser Leben.
Wir liefen zum Tempel, welcher auf einer Anhöhe stand. Dort trafen wir auf meine Großmutter. Sie hatte sich ebenfalls dorthin retten können. Von hieraus mussten wir nun zuschauen, wie uns das Meer alles nahm und zerstörte, was wir jemals besessen hatten. Das Meer verschluckte alles....!!!
Meine Augen füllten sich mit Tränen, und ich begann zu weinen. Würde ich meine Mutter je wiedersehen?
Als sich das Meer wieder zurückgezogen hatte, suchten mein Vater und mein Bruder direkt nach unserer Mutter. Bis spät in den Abend waren sie unterwegs. Als sie zurück kamen, schaute ich in ihre verzweifelten Gesichter. Sie hatten sie nicht gefunden; nicht den kleinsten Anhaltspunkte, wo sie sich hätte aufhalten können oder wo sie noch suchen sollten.
Tiefe Trauer war ihnen ins Gesicht geschrieben. Als Familie gaben wir die Hoffnung aber nicht auf. In den nächsten Tagen gingen beide wieder auf die Suche, aber die Antwort am Abend war immer die gleiche. Nach ein paar Tagen erzählte uns ein Nachbar, dass er gesehen hatte, wie unsere geliebte Mutter von den riesigen Wassermassen erfasst wurde, als sie aus dem Bus gestiegen war.
Jetzt war uns allen klar, sie würde nie wieder kommen. Das, was sich an so vielen Sonntagen zuvor immer und immer wiederholt hatte, sie verließ die Familie, um auf den Markt zu fahren und Gemüse zu kaufen, würde nie wieder so sein. Sie hatte uns für immer verlassen. Die Riesenwelle hatte sie unter sich begraben!
Wir alle waren fassungslos und entsetzt, der Mittelpunkt unserer Familie, unsere über alles geliebte Mutter war tot. Wie versteinert, erstarrt und unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, versuchten wir uns gegenseitig Halt zu geben, mein Vater, meine Großmutter, meine Geschwister und ich. Der Tsunami hatte uns alles genommen, was uns wichtig war und all´ unsere Träume mit sich gerissen und zerstört!!!
Ich war zu diesem Zeitpunkt gerade 8 Jahre alt, wo ich meine geliebte Mutter, die für mich die wichtigste Bezugsperson war, verloren hatte. Mit ihr verließ mich auch die Sicherheit, welche sie mir auf all´ meinen Wegen bis dahin gegeben hatte. Sie war es, die mich stets ermutigt hatte, dass ich alles erreichen könnte in meinem Leben. Nie hätte ich mir zu diesem Zeitpunkt vorstellen können, ohne sie zu sein. Sie war für mich das Licht, welches mir meinen Weg erhellte!
Aus materieller Sicht betrachtet, hatten wir nun nur noch das, was wir am Körper trugen. Unser Zuhause war sehr stark beschädigt, teilweise sogar ganz zerstört. Wir alle begannen das ehemalige Familienheim wieder aufzubauen und zu reparieren. Jeder von uns, egal ob Kind oder Erwachsener packte mit an. Keiner von uns ging zur Schule.
Die alleinige Verantwortung für die Familie lag nun auf den Schultern unseres Vaters. Er arbeitete unermüdlich Tag aus Tag ein, um genügend Geld für den Unterhalt der Familie zu erwirtschaften.
Unsere Großmutter unterstützte uns auf ihre Art und Weise. Mit all´ ihrer Liebe, Zuneigung und Wärme versuchte sie uns Kindern über den Verlust unserer Mutter hinweg zu helfen.
In dieser Zeit begegneten wir auch der „weißen Mutter“ = „Sudu Amma“ (Ursula Beier). Ihre wunderbare Hilfe machte es möglich, dass durch die Vermittlung einer Patenschaft an Spender in Deutschland, wir weitere wertvolle Unterstützung erhielten. Somit konnten meine Geschwister und ich wieder zur Schule gehen. Wir sind unserer Patentante Rena aus Deutschland so dankbar!
Mittlerweile hat mein Bruder sein Abitur mit Bravour bestanden und arbeitet beim Militär. Auch meine Schwester hat ihre Abschlussprüfungen erfolgreich abgelegt und hat eine Arbeitsstelle gefunden.
Ich selbst bin jetzt 16 Jahre alt und gehe noch zur Schule. Es hat eine lange Zeit gebraucht, bis ich für mich selbst akzeptieren konnte, dass ich mein zukünftiges Leben ohne meine Mutter meistern muss. Auch wenn ich wusste, dass sie nicht zurückkommen würde, tauchte dieser Wunsch immer wieder vor meinem inneren Auge auf.
Nun setze ich meine gesamte Energie und Aufmerksamkeit dafür ein, einen guten Schulabschluss zu machen. Ich nehme mein Leben in beide Hände, auch um später sagen können, dass ich alles gegeben habe, um den Lebenstraum meiner Mutter zu verwirklichen.
Ihr Ziel war es immer, dass ich eine gute Schulausbildung erhalte, erfolgreich im Leben stehe und ein guter Mensch werde. Ich möchte, dass sie stolz auf mich sein kann!
Meine Mutter ist bei mir
Von irgendwo im Universum, da bin ich mir sicher, wacht mein Mutter über mich und ist bei mir all´die Tage. Ich spüre, dass mich ihre Segenswünsche stets begleiten. Durch dieses innere Wissen kann ich alles erreichen. Es gibt mir die Kraft und die Zuversicht, alles schaffen zu können.
Es ist so wie früher....als wir noch beisammen waren und sie mir, als ich noch ein kleines Mädchen war,durch ihre Anwesenheit genau diese, so nährende Zuversicht geschenkt hat!
Danke!!!